Ein Industriemonster entsteht: Interessen Gemeinschaft Farbenindustrie

I.G. Farbenindustrie


Das sind die vier herrlichen Portraits der bekannten Chemiker und Wissenschaftler Liebig, Wohler, Kekule und Hofmann. Man findet sie auf den Liquidationsscheinen des Jahres 1953.


Interessen Gemeinschaft Farbenindustrie 

Die IG Farbenindustrie AG wurde seit Kriegsende, also seit über 60 Jahren, "abgewickelt", und wieder einmal scheint ein Ende in Sicht zu sein (damaliger Stand im August 2003).

Im Jahre 1856 erfand der englische Chemiker W.H.Perkin aus Anilin den ersten künstlichen Farbstoff Mauvein. Zwei Jahre später entdeckte E. Verguin in Frankreich den roten Farbstoff Fuchsin. Grundstoff für die Farbengewinnung war Steinkohlenteer, der bei der Gewinnung von Gas aus Steinkohle abfiel.

Entstehung der chemischen Industrie

Mit der Erfindung der Teerfarben erfolgte in Deutschland die Gründung der großen chemischen Fabriken:

1861 Badische Anilin - & Soda - Fabrik, Ludwigshafen

1861 Chemische Fabriken vorm. Weiler-ter Meer, Uerdingen

1863 Farbwerke vorm. Meister, Lucius und Brüning, Höchst

1863 Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co., Leverkusen

1863 Chemische Fabrik Griesheim-Elektron, Frankfurt

1863 Kalle & Co. Aktiengesellschaft, Biebrich

Bereits 1877 erreichte der deutsche Anteil die Hälfte der Welterzeugung an Farbstoffen, in dem Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg deckte die deutsche Teerfarbenindustrie mit ihren in- und ausländischen Produktionsbetrieben 85% des Weltbedarfs. Einen vergleichbar großen Erfolg hatten diese Firmen auch auf dem jüngeren Gebiet der pharmazeutischen Erzeugnisse. 1883 brachten die Farbwerke Hoechst das Präparat Antipyrin, 1888 kam von Bayer als erstes das Präparat Phenacitin.

Die deutschen Teerfabriken wuchsen in den ersten fünfzig Jahren zu gemischten Werken heran. In fast allen Unternehmen wurde jede Phase der Erzeugung, vom Grundstoff bis zum Fertigprodukt, durchgeführt. Die Folge war ein starker Wettbewerb untereinander mit entsprechenden Preiskämpfen. Nur für scharf umkämpfte Großprodukte bestanden, unter teilweiser Beteiligung ausländischer Konkurrenten, Preis- und Quotenabkommen. 

Pläne einer Konzentration und erste Zusammenschlüsse

Dr. Carl Duisberg, Vorstandsmitglied der Farbenfabriken Bayer, war auf einer Reise im Jahre 1903 mit Friedrich Bayer tief beeindruckt von der Trustbildung in den USA. Dort wurde in der Petroleum-, Stahl- und Elektroindustrie durch die Zusammenlegung von gleichartigen Betrieben, einheitliche Leitung und Kontrolle sowie Vereinigung des Verkaufs die Konkurrenz gleichartiger Produkte erfolgreich ausgeschaltet. Dr. Duisberg verfasste um die Jahreswende 1903/04 eine entsprechende Denkschrift, die er maßgeblichen Persönlichkeiten der deutschen chemischen Industrie zusandte.  

Das Ziel einer Fusion konnte noch nicht erreicht werden, jedoch schlossen sich 1904 die Firmen Bayer, Badische Anilin und die Berliner AG für Anilinfabrikation (Agfa) zu einer Interessengemeinschaft (Dreierbund) zusammen. Auch die Farbwerke Hoechst und die Firma Leopold Casella in Frankfurt hatten sich unter gegenteiliger Kapitalverflechtung zusammengeschlossen, 1906 trat die Firma Kalle bei.

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges mussten die deutschen Farbenfabriken ihre Produktion umstellen und Sprengstoff herstellen. Dr. Carl Duisberg erkannte frühzeitig, dass der 85%ige Weltmarktanteil an der Farbproduktion nach Beendigung des Krieges, egal wie er ausging, verloren war. Es gelang ihm  der Zusammenschluss der deutschen Farbstofffabriken. Die 1904 gebildeten Gruppen vereinigten sich und traten unter Aufnahme weiterer Firmen am 18. August 1916 zu einer auf die Dauer von 50 Jahren abgeschlossenen Interessengemeinschaft der deutschen Teerfabriken zusammen.

Nach außen blieb die Selbständigkeit der Firmen gewahrt. In die Zuständigkeit eines Gemeinschaftsrates fielen Entscheidungen über Neuanlagen, die Einstellung oder Einschränkung von Betrieben, Erhöhung oder Verminderung des Aktienkapitals, Aufnahme von Obligationen oder Hypothekenanleihen, Erwerb sowie die Beteiligung an anderen Unternehmen, Erwerb oder Überlassung von Patenten an Dritte.

Gründung der IG Farbenindustrie

Nach dem Krieg waren die deutschen Filialbetriebe im Ausland verloren, die Farbenproduktion weitgehend in ausländischer Hand. Die wirtschaftliche Not der Nachkriegszeit und die folgende Inflation haben maßgeblich dazu beigetragen, dass sich die Firmen noch enger zusammenschlossen, was letztendlich zur Gründung der I.G. Farbenindustrie AG führte.

Am 9. Dezember 1925 übernahm die Badische Anilin- &  Soda-Fabrik, Ludwigshafen, das Vermögen folgender Firmen:

Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co., Leverkusen  
Farbwerke vorm. Meister, Lucius und Brüning
, Höchst
Aktiengesellschaft für Anilinfabrikation, Berlin
Chemische Fabriken vorm. Weiler-ter Meer, Uerdingen
Chemische Fabrik Griesheim-Elektron, Frankfurt

Gleichzeitig verlegte die BASF ihren Sitz nach Frankfurt und änderte ihren Namen in I.G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft. Die Namen der fusionierten Firmen blieben durch Eintragung als Zweigniederlassung erhalten und behielten weitestgehend ihre Selbständigkeit. Zentralisiert wurden in erster Linie Stabsabteilungen wie Finanzen, Zentraleinkauf, Buchhaltung, etc.

Die Gesellschaft entwickelte sich zum größten Unternehmen Deutschlands und zu  einem der führenden Chemie-Unternehmen der Welt.  Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 verlor die I.G. Farben wieder wesentliche Teile ihres Absatzgebietes und ihre Produktionsstätten im Ausland. Nach dem Krieg wurde das gesamte Vermögen von den Siegermächten beschlagnahmt (Generalorder Nr. 2 zum Gesetz Nr. 52 vom 5. Juli 1945) und unter alliierte Verwaltung gestellt. Über 50% des Anlagevermögens befand sich in Ostdeutschland.

Die Entflechtung nach 1945

Zum 1.1.1952 wurde der überwiegende Teil des in der Bundesrepublik liegenden Vermögens aufgeteilt auf die fünf Nachfolgegesellschaften:  

Farbenfabriken Bayer AG, Leverkusen  
Badische Anilin - & Soda ? Fabrik AG
, Ludwigshafen
Farbwerke Hoechst AG, vorm. Meister, Lucius und Brüning, Höchst
Casella Farbwerke Mainkur AG, Frankfurt
Chemische Werke Hüls GmbH, Marl

Die alten Aktionäre der I.G. Farbenindustrie erhielten ? neben einem  Liquidationsanteilschein über RM 1.000 - für RM 1.000 folgende DM - Aktien:

DM 250,-- BASF
DM   25,-- Casella Farbwerke Mainkur
DM 285,-- Farbenfabriken Bayer
DM 210,-- Farbwerke Hoechst
DM   65,-- Chemische Werke Hüls
DM   50,-- Rheinische Stahlwerke

Bei der I.G. Farbenindustrie i. L. verblieben  im Wesentlichen vier kleinere Betriebsstätten sowie eine Reihe von Beteiligungen. Von dem Liquidationsüberschuss waren vorweg bis zu  DM 135 Mio. an die Nachfolgegesellschaften Bayer, BASF und Hoechst auszuschütten, was bis zum 31.12.1963 erfüllt worden ist. An die Inhaber der Liquidationsanteilscheine wurden im Jahre 1967 und 1974 jeweils DM 1,50  je 100 RM Anteilschein ausgezahlt.

Stand der Liquidation (08-2003)

Nach Auskunft der Liquidatoren soll nunmehr die Abwicklung bis zu Jahre 2004 abgeschlossen werden.

Die Hoffnungen nach der Wiedervereinigung, in der ehemaligen DDR gelegenes Vermögen zurück zu erhalten, haben sich durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nicht erfüllt. Auch auf eventuelle Ansprüche an die schweizerische Bank UBS besteht kein Rechtsanspruch. Allerdings werden Zahlungen dieser Bank aus moralischen Gründen nicht ausgeschlossen. Das Vorgängerinstitut Schweizerische Bankgesellschaft hatte sich das in der Firma Interhandel organisierte Auslandsvermögen der I.G. Farben zum Nulltarif einverleibt. Eventuell sollen diese Ansprüche auf eine im Jahre 2001 ins Leben gerufene Stiftung zur Entschädigung von NS-Opfern übertragen werden.

Die I.G. Farben AG hatte 1945 ein Kapital von RM 1.400 Mio. , wofür 1952 Liquidationsanteilscheine im Wert von RM 1.360 Mio. ausgegeben wurden. Nach heutigen Presseinformationen verfügt die Gesellschaft über ein so genanntes Abwicklungskapital von DM 11 Mio., welches an die Anteilseigner zu verteilen ist. Nach den Ermittlungen der Alliierten gab es 1945 zwar 73 Anteilseigner mit jeweils mehr als nom.1 Mio. Aktien, insgesamt gab es aber 137.513 Aktionäre, was eine Durchschnittsanlage von nom. RM 7.882 ergab. Aufgrund des Zeitablaufes ist davon auszugehen, dass kaum noch ein ehemaliger Aktionär der I.G. Farben an der Ausschüttung beteiligt sein wird.

Mitte November 2003 wird überraschend die Zahlungsunfähigkeit der Liquidationsgesellschaft und die Beantragung des Insolvenzverfahrens in den Medien gemeldet. Dieses Insolvenzverfahren war im Jahr 2009 noch nicht abgeschlossen.

Letzter Stand: 2010 wird dieses Insolvenzverfahren beendet, die Börsennotiz der Liquidationsscheine eingestellt. Die I.G. Farben ist nun endgültig Geschichte.

Seitengestaltung © Joachim Hahn
Information und Text mit Genehmigung der Zeitschrift "der Aktiensammler" 2006

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