Firmengeschichte der Aktien-Gesellschaft Weser - Bremen

Die A.G-"Weser" in Bremen

 von Peter Müller

Am 8.November 1843 wurde in Bremen die Firma Waltjen & Leonhard gegründet. Zunächst wurden dort Heizungen, Brücken und andere Eisenteile gebaut.
1851 stellte Carsten Waltjen die eisernen Schwimmtore für die Schleuse des Neuen Hafens von Bremerhaven her. 1846 nannte man die Firma in Waltjen & Co um. Es folgte der Bau der ersten Helling und der Bau von Baggerschiffen und Schuten.
Ab 1865 wurden richtige Seedampfer wie "Falke" und "Nordsee" hergestellt.
1872 wurde unter Beteiligung Bremer Großkaufleute und Reeder (Überseehandel und Schiffahrt) die neue Gesellschaft in Actien-Gesellschaft "Weser" umbenannt.
Allerdings hatte zu diesem Zeitpunkt die Weser in Bremen nur noch einen Tiefgang von 1m. Ludwig Franzius führte die Weserkorrektur durch.
In den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts erhielt die Werft beachtliche Aufträge von der Kaiserlichen Marine. Ab 1883 spezialisierte sie sich auf Bau von Torpedobooten. Bis 1905 lag der Anteil an der Rüstung bei 50%.

1905 zog die A.G.Weser nach Gröpelingen und bezog ihren neuen, größeren Bauplatz. Auf dem neuen Werftgelände wurden fünf Längshellinge errichtet.
Das Grundkapital mußte auf 7,5 Mio. Mark erhöht werden. Hier konnten nun auch die größten Kriegsschiffe gebaut werden  wie z.B. 1911 das Linienschiff "Thüringen" der "Helgoland-Klasse".
Die A.G. "Weser" besaß seit 1912, neben der Kruppschen Germania-Werft-als einzige Privatwerft ein eigenes U-Boot-Konstruktionsbüro.
In den folgenden Jahren bis 1914 wurden 40 Fracht- und Passagierschiffe  für NDL, Hansa, Neptun, Hamburg-Bremer-Afrika-Linie, Roland-Linie erstellt.
1909 und 1914 baute A.G.-"Weser" die beiden großen Schnelldampfer "Berlin" und "William O'Swald" für die HAPAG mit rund 20.000 BRT.

Während des I. Weltkrieges bestellten nicht nur NDL sieben Schiffe und die Argo-Reederei acht, sondern es wurden U-Boote gebaut und zwar 96 an der Zahl.
Inbesondere der Werftarbeiterstreik des Jahres 1913 hatte bei der weitgehend gewerkschaftlich und oft auch in der Sozialdemokratischen Partei organisierten Belegschaft eine starke Frustration über die wenig kämpferische Haltung der Gewerkschaftsführung bewirkt. Der sich in der Partei herausbildende linke Flügel um Johann Knief gewann zunehmend an Sympathien bei den linken Werftarbeitern. So gelang es den Bremer Linksradikalen im Verlauf des Ersten Weltkrieges auf der Werft ein Vertrauensmännersystem aufzubauen. Dieses spielte eine wichtige Rolle bei Auslösung der drei großen Streiks während des I. Weltkrieges:
Im Juli 1916 streikten Werftarbeiter der AG "Weser" anläßlich der Verurteilung von Karl Liebknecht. Ende März 1917 kam es während eines Streiks bei einer Demonstration zu einem Polizeieinsatz. Auch der Januarstreik 1918 wurde in Bremen im wesentlichen von den Arbeitern der AG "Weser" getragen. Das revolutionäre Potential unter der Werftbelegschaft stellte einen wesentlichen Träger der Entwicklung während der Revolution und Bremer Räterepublik 1918/19  dar.

Nach dem I. Weltkrieg beschäftige A.G. "Weser" 1919 und 1923 7.000 Mann. Bis dahin waren 30 Neubauten erstellt worden. 1919 schied Kulenkampf aus dem Aufsichtsrat aus. An seine Stelle trat J.F.Schröder, Mitinhaber des Bremer Bankhauses Schröder, Heye und Weyhausen. 1920 übernahm Schröder den Vorsitz. Im Laufe der 20er Jahren beherrschte Schröder einen großen Teil der deutschen Werftindustrie.
Am 1. April 1921 übernahm Franz
Stapelfeldt den Vorsitz im Vorstand der Werft. Im Rahmen der von Schröder initiierten und organisierten Werftenkonzentration wurde 1926 ein neuer Konzern gegründet: die "Deutsche Schiff-und Maschinenbau Aktiengesellschaft"- Deschimag. Zur Deschimag gehörten neben der A.G. "Weser" Bremen acht andere Werften, auch die Seebeckwerft und die Tecklenborgwerft in Bremerhaven. Den Preis für die Rationalisierungs- und Konzentrationsbestrebungen mußte die Belegschaft der Tecklenborgwerft zahlen.

Ende 1926 bekam A.G. "Weser" vom NDL den Auftrag einen Schnelldampfer mit 50.000 BRT zu bauen, der etwa 27 Knoten laufen sollte. Bis zum heutigen Tag ist der Bau des Schnelldampfer "Bremen" ein Höhepunkt in der Geschichte der Werft geblieben. Die "Bremen" war für den Nordatlantikverkehr Europa-New York bestimmt.
Auf der Überfahrt nach New York am 23.7.1929 holte die "Bremen" das "Blaue Band".

Die "Bremen"

Nach der Fertigstellung der "Bremen" entließ die Werft Ende 1929 mehr als 5000 Mann ihrer 12.000 starken Belegschaft. Nach der Fertigstellung der "Uhenfels" 1931 gab es keine Neubau-Aufträge mehr. Die Werft lag still.
1934 bekam die A.G. "Weser" einen Auftrag vom NDL. 1935 ging es wieder langsam aufwärts und 1936 wurde die ersten Gewinne eingefahren. Auch die Deschimag machte schwere Jahre durch.
In den darauffolgenden Jahren erhielt die A.G. Weser wieder Aufträge vom NDL z.B. für die schnellen  Schwesterschiffe "Scharnhorst" und "Gneisenau", aber auch die Reederei "Hansa" bestellte Schiffe. 1935 erhielt die AG "Weser" zunächst Aufträge für vier Zerstörer, es folgten acht U-Boote für die deutsche Kriegsmarine.
1934 gründete die Deschimag die "Weser-Flugzeugbau GmbH". So wurden auf dem Gelände der AG "Weser" mit der Montag, Reparatur, Überholung und Teilbau fremder Flugzeugmuster begonnen.
Nach der wirtschaftlichen Stabilisierung der Deschimag, verkauften Bremen und das Reich ihre Aktienmehrheit an eine Gruppe Bremer Kaufleute. Das Bankhaus Schröder war bereits 1931 Konkurs gegangen. Krupp übernahm Teile des Aktienkapitals, erwarb 1941 die Kapitalmehrheit und gliederte die Werft in seinen Konzern ein.
Bereits vor dem II.Weltkrieg wurde AG "Weser" ganz auf Kriegsschiffbau umgestellt. Die Werft baute 150 U-Boote. Später ging man aus Rationalisierungsgründen zur Sektionsbauweise über. 1939 arbeiteten auf der Werft 16.100 Mann. 1943 waren auf der AG "Weser" fast 20.000 Menschen beschäftigt, davon waren 19% ausländische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. 1944 kamen noch ca. 1.500 Häftlinge aus dem KZ Neuengamme hinzu.
Auf der AG "Weser" entwickelte sich antifaschistischer Widerstand von KPD und SPD-Leuten.

Nach der Kapitulation setzten die Alliierten die Werft auf die Demontage-
Liste, die Werft wurde der Sowjetunion als Reparationsleistung zugesprochen. Was nicht abtransportiert werden konnte, sollte gesprengt werden. Dem Bremer Bürgermeister Wilhelm Kaisen gelang es bis 1948 den Erhalt der Werft durchzusetzen. Es kam zur Beendigung der Demontage. 1949 begann AG "Weser" mit Schiffsreparaturen.
1950 erreichte Kaisen mit einer Reise in die USA die Aufhebung der Schiffsneubau-Beschränkungen. 1951 begann die Werft mit dem Bau von neuen Hochseeschiffen. Onassis bestellte sechs Tanker in einer Größe von 22.000 tdw.
Mit der Montag des Helgen V, Alfried-Helgen genannt, verschaffte sich die Werft die Vorraussetzungen für die Erledigung dieser Aufträge. Es folgten Anschlussaufträge für weitere und noch größere Tanker. Der erste 1954 abgelieferte Esso-Tanker, die "Esso-Düsseldorf" hatte eine Tragfähigkeit von 27.000 tdw.
Bis zum Anfang der 60er Jahre steigerte sich die Größe auf 80.000 tdw.
1963 beschloss die Unternehmensleitung ein Sonderinvestitionsprogramm von über 108 Mio. DM, zukünftig noch größere Schiffe bauen zu können. Ein geringer Teil dieser Summe ging an den zweiten Betrieb des Gesamtunternehmens AG "Weser", die Seebeckwerft in Bremerhaven. Die  Aufgabenverteilung zwischen beiden Werften sah für den Gröpelinger Standort den Großtankerbau, für die Bremerhavener Werft den Standard- und Spezialschiffbau vor.

Auf der AG "Weser" erfolgte der konsequente Übergang zur Sektionsbauweise. Der Zusammenbau der Volumensektionen erfolgte u.a. mit Hilfe eines neuen, 1964 in Betrieb genommenen Bock-Krans, der eine Tragkraft von 500 Tonnen hatte und die ganze Helgenbreite des neuerrichteten Großhelgens "Wilhelm" bedienen konnte. Der neue Helgen war für den Bau von Schiffen bis zu 150.000 tdw ausgelegt. Die vier alten Helgen wurden stillgelegt oder abgerissen.
1968 erfolgte die Umrüstung des alten Großhelgen V zum modernen Helgen "Alfried" mit einer Länge von 375 Metern. Dadurch war die AG "Weser" in der Lage, Schiffe bis zu 400.000 tdw zu bauen. Ein Bockkran mit 780 Tonnen Hebefähigkeit überspannte den ganzen Helgen mit seiner neuen Breite von 66 Metern.
Die Investitionen zahlten sich in den folgenden Jahren aus. Mit dem Bau immer größerer Tanker stiegen die Gewinne sprunghaft. Die 1968 abgelieferten Tanker "Esso Mercia" und "Good Hope I" hatten eine Größe von 170.000 tdw. Ihnen folgten die sog. Europa-Tanker mit 250.000 tdw.
In den folgenden fünf Jahren war die AG "Weser" voll ausgelastet. Dafür sorgte die Hereinnahme von Aufträgen über sieben Europa-Tanker in der Größenordnung von 380.000 tdw, darunter die "Ioannis Colocotronis".
Dem Werftvorstand lagen Studien über bevorstehende weltweite Überkapazitäten der Tankerflotte und des Tankerbaus vor. Trotzdem erfolgte zwischen 1973 und 1975 ein dritter Investitionsschub von knapp 120 Mio. DM, der die Werft weiter auf den Großtankerbau ausgerichtete. Die Investitionen flossen unter anderem in den eines modernen Plattenlagers und den Bau eines neuen Transportsystems, vor allem aber in die Verlängerung des Helgen "Alfried" um 32 Meter. Auf diesem hätten jetzt Schiffe bis 650.000 tdw gebaut werden können. Dazu kam es allerdings nicht mehr.

Die 1974 einsetzende Ölkrise und die Wirtschaftskrise führten zu einem abrupten Absatzrückgang. Der Glaube des Management, es handele sich nur um eine vorübergehende Krise, half genauso wenig wie das Hoffen auf einen Boom. Auch die Einführung von Kurzarbeit und der Abbau von 1000 Arbeitsplätzen brachte keine Lösung. 1979/80 wurde ein Konzept zur Umstrukturierung der Werft zu einer mittleren Werft vorgelegt. Doch das Konzept ging nicht aus, die Aufträge blieben aus oder gingen zur  Seebeckwerft.

< A.G. Weser ehemalige Schiffbauhalle-Abriss, 4/1997, Foto: Peter Müller.

Vom Bremer Senat wurde betriebsübergreifende Lösungen ins Spiel gebracht, z.B. die Fusion der beiden Großwerften Vulkan und AG "Weser". Die Werftenvorstände entwickelten bis zu sieben Modelle, konnten sich aber auf keines einigen. Die Diskussion spitzte sich auf die Frage zu, welche der beiden Großwerften geschlossen werden sollte.
1983 forderte der Verband der Deutschen Schiffbauindustrie die Vernichtung von 9000 Arbeitsplätzen auf den norddeutschen Werften, die mit der Schließung ganzer Werften und der Konzentration auf die kostengünstigsten Betriebe erfolgen sollte. Die Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen übernahmen diese Position.
Nach einer weiteren Wirtschaftlichkeitsuntersuchung verständigten sich die Vorstände beider Werften schließlich auf eine Neustrukturierung des Schiffbaus in Bremen und Bremerhaven: Die AG "Weser" sollte geschlossen werden, und die Seebeckwerft in Bremerhaven eigenständig fortgeführt werden. Der Bremer Vulkan sollte die Hapag-Lloyd-Werft übernehmen.

Am 19. September 1983 besetzte die Belegschaft der "Akschen" die Werft mit dem Ziel den Politischen Senat (es war Wahlkampf!) für sich zu gewinnen. Die Rechnung ging aber nicht auf. Die SPD bekam die absolute Mehrheit und einen Tag später musste die Belegschaft am 26. September 1983 die Besetzung beenden, da eine polizeiliche Räumung, Schadenersatzansprüche und Strafverfolgungen insbesondere der Besetzungskommission nicht auszuschließen waren.

Am 31. Dezember 1983 schloss die traditionsreiche Großwerft für immer ihre Tore.
2.000 Menschen wurden entlassen.

Seitengestaltung © Joachim Hahn
Informationen Fotos und Text  von Peter Müller

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