Gesellschaft Süd-Kamerun - Ein Stück Deutscher Kolonialgeschichte

Gesellschaft Süd-Kamerun - Ein Stück Deutscher Kolonialgeschichte

Vom Urwald in den Finanzdschungel

Die Geschichte der Gesellschaft Süd-Kamerun

Im Jahre 1898, in dem diese Geschichte beginnt, zählte Deutschland noch zu den Kolonialmächten. In Afrika wurden Besitzungen in Ostafrika, Südwestafrika, Kamerun und Togo erworben. Insbesondere Kamerun galt wegen seines für Europäer noch leidlich zuträglichen Klimas und seiner guten Anbaumöglichkeiten für tropische Landwirtschaftsprodukte (vor allem Kakao, Kautschuk und Ölpalmen als zukunftsträchtig. Als erster westafrikanischer Kolonie gelang hier der Plantagenanbau, der sich um den Kamerunberg herum entwickelte. Neben dem Anbau spielte der Handel der oben genannten Produkte eine wichtige Rolle für Kamerun.


Der Genussschein der Gründeremission des Jahres 1898, vorne deutsch, hinten französisch gedruckt.

Die Gesellschaft Süd-Kamerun unterschied sich von anderen Kolonialgesellschaften in der Weise als es sich hier um eine so genannte Konzessionsgesellschaft handelte. Die Rechtsform war aber auch hier die der Kolonialgesellschaft (DKG) nach § 11 des damaligen Schutzgebietsgesetzes. Diese Form war wegen der besonderen Erfordernisse der Kolonialfinanzierung eigens geschaffen worden. Der Unterschied zu einer normalen Aktiengesellschaft liegt im Wesentlichen in der kleineren Stückelung der Anteile, den großzügiger gehandhabten Publizitätsvorschriften und vor allem der Aufsicht durch das Reichsaußenministerium.

Die Geschichte der Gesellschaft begann mit einer Forschungsreise des Oberleutnants von Carnap-Querheimb in die unzugänglichen Gebiete Südost-Kameruns. Carnap-Querheimb war seinerzeit Chef der am weitesten ins Innere vorgeschobenen Regierungsstation Jaunde. Er stellte in dieser Region einen großen Reichtum an Gummi und Elfenbein fest, gleichzeitig aber auch Aktivitäten belgischer und niederländischer Firmen, die einen Produktenhandel auf deutschem Boden betrieben, wobei sie sich als Verkehrsweg des Kongos bedienten.

Die Unzugänglichkeit des Gebietes und die Zurückhaltung des deutschen Großkapitals gegenüber Anlagen in den Kolonien ließen es angeraten erscheinen, sich der Mitarbeit belgischer Unternehmen zu versichern, die über genügend Erfahrungen in der Erschließung von Kolonialgebieten verfügten. Voraussetzung hierfür war jedoch, dass das Reich zur Verleihung einer größeren Landkonzession bereit war, um die Kapitalgeber für ihr großes Risiko schadlos zu halten. Dies entsprach der Praxis im damaligen Belgisch-Kongo. Nachdem die Konzession unter dem 28.11.1898 erteilt worden war, konnte die Gesellschaft am 8.12. des gleichen Jahres mit einem Grundkapital von 2 Millionen Mark gegründet werden. Ferner gelangten 15000 nennwertlose Genussscheine zur Ausgabe, wovon die Herren Dr. J. Scharlach und Graf Scholto-Douglas allein 10000 für die Übertragung der ihnen gewährten Rechte auf die Gesellschaft Süd-Kamerun erhielten. Die Verwaltung arbeitete zunächst aus praktischen Gründen in Brüssel, verlegte dann aber im Jahre 1903 ihren Sitz endgültig nach Hamburg. Die Beteiligung belgischen Kapitals erklärt die Zweisprachigkeit der Stücke in deutsch und französisch.


< Anteilsemission 1910, hier die französische Seite mit Couponbogen


Interessant waren die Satzungsbestimmungen hinsichtlich der Gewinnverwendung. Der Landesfiskus von Kamerun besaß danach ein Recht auf 10% des Reingewinns, sobald die Ausschüttung auf das Grundkapital 5% p.a. überschritt. Die Genussscheine sollten erst dann eine Dividende erhalten, wenn auf die Anteile mehr als 7% gezahlt würden. Von dem dann noch verbleibenden Betrag sollten die Anteile 3'4 und die Genussscheine 1/4 — jeweils in ihrer Gesamtheit — erhalten. Die Erteilung der Landkonzession war an eine Reihe von Bedingungen geknüpft. Der Gesellschaft wurde eine Kultur und Betriebsverpflichtung auferlegt. Eine spekulative Veräußerung des Landes war ausgeschlossen. Nach 40 Jahren sollte die Gesellschaft verpflichtet sein, im Falle einer Nichtkultivierung des Landes dieses unentgeltlich an den Landesfiskus des Schutzgebietes zurückzugeben. Nach Ausübung ihrer Optionen war das Unternehmen immerhin in den Besitz von 15 500 qkm gekommen, wobei man allerdings wissen muss, dass es sich dabei um einen zusammenhängenden und fast völlig unbewohnten Urwald handelte. Die eigentliche Tätigkeit der Gesellschaft erstreckte sich auf den Handel mit Kautschuk, Elfenbein und Palmöl. Neben den Hauptniederlassungen in Kribi und Molundu unterhielt das Unternehmen 18 Faktoreien und 39 von ihnen abhängige Handelsposten. Im Gegensatz zu der anderen Konzessionsgesellschaft des Schutzgebietes, der Gesellschaft Nordwest-Kamerun, erreichte unser Unternehmen nach einer Anlaufphase die Rentabilität. Über 5% ist die Dividendenzahlung allerdings nicht hinausgekommen, so dass die Genussscheine ohne Ausschüttung blieben. Der für Deutschland unglückliche Ausgang des ersten Weltkrieges zog den Verlust sämtlicher Kolonien nach sich. In Kamerun rückten englische und französische Truppen ein; beide Mächte sollten später dieses Gebiet unter sich aufteilen. Die dort ansässigen Deutschen wurden restlos interniert und verschleppt. Die Planwagen und sonstigen Betriebe wurden unter Zwangsverwaltung gestellt. Zum großen Teil „verbuschten“ die empfindlichen Plantagen nach kurzer Zeit.

Auch die Gesellschaft Süd-Kamerun büßte ihre umfangreichen Vermögenswerte größtenteils ein. Nach langjährigen zähen Verhandlungen wurde den enteigneten Kolonialgesellschaften seitens der Reichsregierung im Jahre 1928 eine Entschädigung zugesprochen. Die Ermittlungen ergaben, dass die eigentlichen Schäden in den verloren gegangenen Kolonien insgesamt 920 Millionen Mark betrugen. Für Süd-Kamerun wurde ein Schaden von 9,2 Millionen Mark anerkannt. Die hierauf gewährte Entschädigung in Höhe von 1,46 Millionen Mark entsprach zwar nur 15,8% dieser Summe, reichte aber aus, um der Gesellschaft einen Neuanfang in bescheidenem Rahmen zu ermöglichen. Da das alte Tätigkeitsgebiet verschlossen blieb, wandte sich das Unternehmen der Gummiveredelung zu. Zu diesem Zwecke wurde im Gummizentrum Palembang auf Sumatra eine entsprechende Anlage gebaut. Mit dem Zusammenbruch des Kautschukmarktes im Jahre 1929 wurde diesem Betrieb aber schon wenige Jahre nach seiner Errichtung die Grundlage entzogen. Es wurden größere Abschreibungen erforderlich. Glücklicherweise hatte das Unternehmen aber 1927 auch wieder eine Plantage im britisch gewordenen Teil Kameruns (150 ha; Ölpalmen) erworben und sich die Option auf ein erstklassiges Farmgelände von 3500 ha gesichert. Damit war das Überleben wieder gesichert, auch wenn 1928 ein scharfer Kapitalschnitt von 3,6 auf 0,8 Mill. RM durchgeführt werden musste. Anschließend erfolgte eine Wiedererhöhung auf 1,1 Mill. RM. 1936 war die Gesellschaft Süd-Kamerun erneut sanierungsreif, da sich das Plantagengeschäft nicht wie erhofft entwickelte. Das Kapital wurde auf 0,28 Mill. RM zusammengestrichen. Mit der anschließenden Wiedererhöhung auf 0,88 Mill. RM wurden aber nochmals neue Mittel eingeschossen. Es erübrigt sich beinahe darauf hinzuweisen, dass Anteile und Genussscheine in dieser Phase zwischen den Kriegen ohne Ausschüttung blieben.

Der zweite Weltkrieg brachte den zarten Hoffnungsfunken, der sich an die Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit geknüpft hatte, endgültig zum Erlöschen. Die Vermögenswerte gingen restlos verloren. Die Neufestsetzung des Grundkapitals auf DM 0,44 Mill. (Umstellung 2:1) war nur möglich durch Einsetzung von Kapitalverlustkonten auf der Aktivseite in nahezu gleicher Höhe. Das Warten auf eine staatliche Entschädigung blieb vergebens, da die Bundesregierung Forderungen juristischer Personen nicht anerkannte. Diese Rechtsauffassung wurde höchstrichterlich bestätigt. Umso unverständlicher musste es anmuten, dass im Juli 1971 die Börse plötzlich von einem Höhenflug der Anteile überrascht wurde, die jahrelang ein rechtes Mauerblümchendasein geführt hatten und nur „Erinnerungswerte" zwischen 1 und 3% erzielt hatten. Bis auf eine Basis von 101% (!) Ende 1972 ging die Hausse, bei allerdings nur äußerst geringen Umsätzen. Hinter den Käufen stand eine Finanzgruppe um den Münchner Bankier Franz Xaver Ortner, die eine Reaktivierung des Firmenmantels beabsichtigte. Im März 1972 wurde bekannt, dass diese Gruppe rd. 60% des Grundkapitals zusammengebracht hatte, freilich im Wesentlichen aus dem Besitz des früheren Großaktionärs Schantung-Handels AG und nicht über die Börse.

Nach Umfirmierung in „SÜKA Gesellschaft für Vermögen, Handel, Industrie und Beteiligungen vormals Gesellschaft Süd-Kamerun" sollte die Gesellschaft in den Touristikboom einsteigen. Sie erwarb angeblich in Zusammenarbeit mit ihrer neuen Großaktionärsgruppe Grundstücke auf der spanischen Ferieninsel Fuerteventura, die erschlossen und an Anleger weiterveräußert werden sollten. Die Vergangenheitsbewältigung sah zunächst eine Kapitalzusammenlegung i.V. 10:1 auf ganze DM 46350,— vor, um den aufgelaufenen Verlust buchmäßig auszugleichen. Anschließend erfolgte eine Wiedererhöhung auf 0,5 Mill. DM (HV am 19.1.1972).


Die letzte emittierte Anteilsemission des Jahres 1936 im Nennwert 200 RM

Die alte Traditionsgesellschaft wurde nun mit bunten Prospekten aktiv, worin sie sich als "an den deutschen Börsen notierte Grundstücks-AG" vorstellte und zum Kauf ihrer Parzellen einlud. Daran stimmte schon einmal nicht der Status einer AG, denn die SÜKA ist ja, wie wir inzwischen wissen, eine Kolonialgesellschaft (DKG). Wie sich später dann herausstellen sollte, war sie für die Grundstücke auch nur als Vermittler tätig, denn die Eigentümerin war die Playa Santa Ines S.A., Las Palmas. Wegen mangelnden Umsatzes wurde der SÜKA zudem das Vertriebsrecht schon bald wieder entzogen.

Die undurchsichtigen Finanzgeschäfte der Ortner-Gruppe (sein Bankhaus Bansa KG musste am 2.8.72 die Schalter schließen, vorher war schon die Bayerische Wirtschaftsbank über die Klinge gesprungen) wurden nie ganz offenbar, obwohl sich die Gerichte ausführlich damit befassten. Nur eines war klar: Der Neubeginn der SÜKA war eine glatte Bauchlandung.

Es tauchte die Vermutung auf, dass sie im wesentlichen der Verschiebebahnhof für Transaktionen des Großaktionärs war und dass Herr Ortner von den Provisionseinnahmen eine Zeitlang gut gelebt haben soll. Der Hamburger Börsenvorstand reagierte ziemlich spät. Trotz Kenntnis der Vorgänge bei der Bansa-Bank wurde erst am 21.5.1973 die Notiz ausgesetzt. Anleger kamen in dieser Phase aber wohl kaum noch zu Schaden, da Strichnotizen in der letzten Zeit die Regel waren. — Die HV der SÜKA am 22.1.1975 — eine" Veranstaltung im allerkleinsten Kreise — beschloss dann die Liquidation. Intensive Bemühungen einer Großbank, Geschäftsberichte oder einen Liquidationsstatus zu erhalten, blieben erfolglos, wobei sich das Unternehmen stets hinter seinem Status als Kolonialgesellschaft verschanzte. Man hatte wohl auch allen Grund, über das Geschehene Stillschweigen zu bewahren. Auf wiederholte Vorhaltungen ließ sich der Liquidator dann unter dem 17.9.1976 herbei, in einem Zweizeiler schriftlich den Tatbestand der Wertlosigkeit von Aktien und Genussscheinen zu bestätigen. Mit der endgültigen Zurücknahme der Börsennotiz am 14.4.1977 zog der Hamburger Börsenvorstand dann den Schlussstrich unter das ruhmlose letzte Kapitel in der Geschichte der Gesellschaft Süd-Kamerun. Man zog nochmals Parallelen zum Fall Kamerun Eisenbahn-Gesellschaft (Wagner Computer).

Da die Rechtsform der Kolonialgesellschaft inzwischen in Deutschland nicht mehr zulässig ist (alle bestehenden Gesellschaften wurden entweder liquidiert oder in eine andere Gesellschaftsform umgewandelt), sind Missbräuche nun gottlob nicht mehr möglich. Sie ruhen jetzt in Frieden.

Auf dem Sammlermarkt sind Kolonialtitel recht begehrt, denn die Auflagen sind meistens recht klein. Außerdem stellen sie, wie wohl auch diese Geschichte wieder einmal bewiesen hat, ein recht interessantes Kapitel in der deutschen Wirtschaftsgeschichte dar. Lassen Sie mich mit dem Motto schließen: „Mögen Unternehmen kommen und gehen, das Sammlerinteresse bleibt bestehen ..."

Dieser Artikel erschien, bis auf die Bilder, im Wesentlichen fast identisch in der  „Zeitung für Historische Wertpapiere“, vermutlich im Jahr 1979 oder 1980.
Der damalige Autor ist mir nicht bekannt.

Seitengestaltung und Bilder: Joachim Hahn

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